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Silber, das kalte Gold

veröffentlicht am: 6. März 2015

Nachtansichten 2015
Begegnungen der Bielefelder Art
25. April 2015 von 18 bis 1 Uhr
SILBER, DAS KALTE GOLD
Solveig Hild
Galerie OPERA VIVA
Altstädter Kirchstraße 10
33602 Bielefeld

Silber, das kalte Gold

Beschäftigt man sich mit den Materialien “Gold und Silber“, wird offenkundig: Silber bleibt hinter der mythischen Attraktivität von Gold zurück und erscheint weniger begehrenswert. Aber was motiviert diesen “Sacra fames auri”, diesen verfluchten Hunger nach Gold, und lässt das Silber als kaltes Material zurückfallen? Für Gold wird der Schatzsucher zum Räuber und die Staatsmänner zum Mörder. Gold ist schwerer als Silber, und allein das Gewicht potenziert ein ökonomisches Interesse. Doch das allein reicht als Erklärung nicht aus. Und so entspricht dem „diesseitigen“, dem rein ökonomischen Interesse, ein „jenseitiger“ Wert von Gold und Silber. Laut C.G. Jungs Tiefenpsychologie und Traumdeutung leitet sich die Attraktion von Gold und Silber nicht von ihrem Seltenheitswert her ab, sondern aus einer durch das Unterbewusstsein erzeugten Ahnung. Selbst blinde Menschen, die diese Materialien nie sahen, können davon träumen. Das mythologische Wissen um die Beschaffenheit und Wirkung der beiden Edelmetalle wird durch zwei Quellen stark beeinflusst. Zum einen durch die Heilige Schrift und zum anderen durch das Wissen um die mittelalterliche Alchemie. In der Bibel können wir in unterschiedliche Sinnkontexten 144 Mal von Gold und Silber lesen und auch davon, dass Jesus im Tausch gegen 30 Silberlinge verraten worden ist. 1
Derart tritt Silber als Bezahlung für die schlechten Dienste und Gold für die guten Dienste in Erscheinung. Erinnern wir uns an die Minnesänger, die durch ihren Gesang die Frauen erhöhen und selbstverständlich mit Gold, und nicht mit Silber, Entlohnung finden. In der mittelalterlichen Alchemie stellt Silber (Quecksilber) den reinen Zustand der „Prima Materia“, der ersten Materie oder auch Urmaterie (Aristoteles), dar und wird dem weiblichen Aspekt „Luna“, der Mondgöttin, zugeordnet. In der Literatur wird der Mond oftmals mit einem „silbernen Leuchten“, das durch Reflexion entsteht, beschrieben. Die Farbe wird als klar und leicht, aber auch kühl und zurückhaltend klassifiziert. Das Silber ist mondgleich, so wie der Mond silbergleich im Auge des Betrachters scheint. Dem Schriftsteller und Bibelforscher Friedrich Weinreb gilt das Gold
als das männliche und Silber als das weibliche Element. Aber betrachten wir das Silber doch einmal aus einer anderen, rein künstlerischen Sicht.
Demgemäß ist es nur scheinbar von kühler Gestalt. Mondgleich, birgt das kühle
Material die Aussicht auf Freiheit und Unabhängigkeit in sich. Silber, wenn wir es als Start, als Beginn, als die „Prima Materia“ begreifen, kann in dieser Urform für die Freiheit des Geistes, für Unabhängigkeit von äußeren Umständen stehen. Als solides Fundament, der Grundstock für Besonnenheit, Nähe und Zuneigung. In dieser Weise steigt es zum höchsten Schatz empor und wird dem Gold, dem Streben nach Reichtum und Macht, die Kraft nehmen und die Menschen wärmen. Denn es sind nicht die Luxusvilla, das teure Auto, der wertvolle Schmuck, die unseren Alltag mit glücklichen Momenten verwöhnen. Es ist das fröhliche „Guten Morgen“, das freundliche Lächeln, die nette Geste, die uns glücklich machen, die wir weitergeben und mit denen wir andere anstecken.

Text: Solveig Hild/01.03.2015

1 vgl. Gold und Silber: „Begehren und Mythos“, Vortrag am Institut f. Psychosymbolik, München, Oktober 2011

Silver, the cool gold

When occupying yourself with the materials „gold and silver,“ it becomes clear: silver falls behind the mythical attractiveness of gold and seems less desirable. But what motivates this „Sacra fames auri,“ this cursed hunger for gold, and makes silver fall behind as cool material? For gold, the treasure seeker becomes a predator and statesmen become murderers. Gold is heavier that silver, and alone its weight multiplies an economic interest. This alone does not explain it, though. An „ulterior“ value of gold and silver corresponds to the value of purely economic interest in „this world.“ According to C.G. Jung’s psychoanalysis and interpretation of dreams, the attractiveness of gold and silver does not derive from their rarity value, but from an understanding created by the subconscious mind. Even blind people, who have never seen these materials, are able to dream of them. The mythological knowledge of the composition and effect of these two precious metals is strongly affected by two sources: by the Holy Scriptures on the one hand, and by the knowledge of the medieval alchemy on the other. We can read about gold and silver 144 times in the bible in different contexts, and we can read about Jesus being betrayed in exchange for 30 pieces of silver.1 In this respect, silver appears as a means of payment for bad services and gold as a means of payment for good services. Let us remember the Minnesingers, who, by their chant, appreciate women and get paid in gold, and not in silver. In the medieval alchemy, silver (quicksilver) represents the pure state of the „Prima Materia,“ the first matter, or prime matter (Aristotle), and it is assigned to the female aspect „Luna,“ the moon goddess. In literature, the moon is often described as having a „silver shining,“ which is created by reflexion. The color is classified as clear and light, but also as cool and reserved. Silver is moon-like in the same way as the moon shines silver-like in the eye of the beholder. For the author and bible student, Friedrich Weinreb, gold stands for the male, and silver stands for the female element.
For once, let us look at silver from a different, purely artistic view. Accordingly, it is of cool build only apparently. Like the moon, the cool material holds the prospects of freedom and independence. Understanding silver as a start, as a beginning, as the „Prima Materia,“ it can – in this archetypical form – epitomize the freedom of spirit, the independence from external circumstances. As a solid foundation, the basis for prudence, closeness and affection. Thus, it will rise to being the most precious treasure and it will take away the power from gold, the aspirations to wealth and power, and it will warm people’s hearts. For, it is not the luxury villa, the expensive car, the precious jewelry that fill our daily life with moments of joy and happiness. It is the cheerful „good morning,“ the friendly smile, the nice gesture, which makes us happy, which we pass on to others and which we inspire others with.

Text: Solveig Hild/01.03.2015

1 cf. Gold und Silber: „Begehren und Mythos“, Vortrag am Institut f. Psychosymbolik, München, Oktober 2011

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